Miyajima und die blutrünstigen Rehe

Dienstag, 31.März 2015

Heute schälen wir uns schon um kurz vor sechs Uhr aus dem Bett, denn wir fahren nach Hiroshima. Überpünktlich haben wir an der Kyoto Station sogar noch Zeit, um uns ein Frühstück bei Starbucks zu holen, bevor unsere Reise mit dem Shinkansen um 08:00 Uhr beginnt.

Was ich bei der Fahrt von Shinagawa nach Kyoto noch nicht ganz gerafft habe: im Shinkansen gibt’s ne Smoking Area 😀 Yiss, gleich rein da, das ist Luxus pur – liebe ÖBB, wie wär’s? Als ich die vernebelte Kammer betrete, verlässt eine blonde Frau ebendiese mit den Worten “du, i geh nu schnö aufs Klo, gö”. Heimatliche Klänge am anderen Ende der Welt! Als sie weg ist frage ich die noch rauchende Frau, ob sie aus Österreich kommt, und tatsächlich, die beiden sind aus Oberösterreich, genau wie Malie. Was ist das denn für ein Zufall? Wir plaudern noch eine Weile über unsere Reiserouten und gehen dann wieder zurück auf unsere Plätze. Die Österreicher sitzen zufällig direkt vor und hinter uns – in einem Zug mit 16 Waggons, mehr als 9000km von Zuhause entfernt, einfach irre. Nach zwei Stunden sind wir dann in Hiroshima und müssen nun mit einem Regionalzug weiter nach Miyajimaguchi – kein Problem, mit dem Rail Pass kommen wir voll VIP überall schneller durch und erwischen gleich den nächsten Zug. Nach einer weiteren halben Stunde Fahrt sind wir dann da, und man kann schon das Meer riechen. Unglaublich, wie viele Kilometer wir in den letzten paar Tagen schon zurückgelegt haben! Auf der Suche nach einer Smoking Area begegnen wir einem japanischen Wachmann, der uns, anstatt uns den (wirklich unkomplizierten) Weg zu erklären direkt zur Smoking Area begleitet, und uns einen schönen Aufenthalt auf Miyajima wünscht – so lieb. Dank unseres Rail Passes können wir die JR Fähre kostenlos nutzen. Die Überfahrt dauert nur etwa zehn Minuten, dann können wir von Bord und endlich zu den Rehen und dem roten Torii.

Gleich als erstes kontrollieren wir noch einmal, ob auch alles, was wir an Papier (Rail Pass, Reisepass) dabei haben gut und sicher verstaut ist, denn nach nur fünf Minuten beobachten wir einen deutschen Touristen, der erbittert mit einem Reh um seine Papiertasche kämpft. Das Reh hat übrigens gewonnen. Wir wissen gar nicht, wo oder was wir zuerst fotografieren sollen, sooo viele niedliche Rehe und die wunderschönen Gassen – ahhh, ich hoffe, dass unsere Speicherkarte ausreicht! Mit unserem Selfie Stick bewaffnet setzen wir uns zu einem Reh und machen Fotos – anscheinend sieht das für Außenstehende furchtbar komisch aus, denn wir werden fotografierenderweise fotografiert und hören von allen Seiten “kawaii”. Wir hätten eigentlich eine Liste führen sollen um all die “kawaii” Ausrufe zu dokumentieren – beim nächsten Mal dann! Nachdem wir vorerst genügend Rehe fotografiert haben machen wir uns auf den Weg zum Strand. Leider ist es sehr trüb und und auch etwas kühl, aber trotz allem wunderschön. Ich war schon so lange nicht mehr am Meer und freue mich, den Wellen zuzuhören, während ich am Strand sitze und Rehe beobachte. Irgendwie unwirklich das alles – am Strand Rehe beobachten, unweit der vor 70 Jahren zerstörten Stadt, auf einer heiligen Insel, und das als Atheist, Gefühlschaos.

Unsere nächste Station ist das berühmte rote Torii, das mitten im Wasser steht. Als wir dort sind ist gerade Ebbe, und so können wir bis fast ganz nach vorne laufen, genau wie all die anderen Touristen. Wenn man es auf den Fotos sieht, glaubt man gar nicht, wie groß das Torii tatsächlich ist, aber steht man davor, dann kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Ich war zwar 2006 schon mal hier ,aber so groß hatte ich es nicht in Erinnerung. Schönes symbolisches Eingangstor für einen schönen Schrein.

Ich weiß nicht wie es Malie geht, aber die Stimmung ist heute irgendwie anders, nicht schlecht, aber angespannt. Wir wollen später nochmal zum Wahrzeichen Miyajimas zurück und bezahlen erstmal den Eintritt zum Itsukushima Schrein. Wir spazieren durch und machen einige Fotos, aber irgendwie versaut uns das Wetter die Stimmung. Wir beschließen, uns auf den Weg zum Mt. Misen zu machen, bzw. zum Miyajima Ropeway, denn für eine Wanderung auf den 535m hohen Berg sind wir nicht adäquat gekleidet, und Zeit haben wir auch nicht, und faul sowie unsportlich sind wir obendrauf XD Also spazieren wir durch die wunderschönen Gassen von Miyajima, gehen in diesen und jenen Souvenirshop, und folgen den Schildern. Unterwegs treffen wir wieder und wieder auf freilaufende Rehe, die wir erneut gnadenlos fotografieren.

Mit dem Ropeway geht’s um 1800 Yen (Roundtrip Ticket) einmal mit der (meiner Meinung nach) wackeligsten Seilbahn der Welt für zehn Minuten hoch. Zu meinem Entsetzen sind wir dann aber noch nicht ganz angekommen! Mit einer anderen, stabiler wirkenden Seilbahn geht es noch einmal weiter. Ganz oben angekommen können wir dann auf die umliegenden Inseln und das Meer blicken. Es muss bei klarem Wetter ein traumhafter Ausblick sein, leider ist es immer noch sehr trüb, und so kommt die tolle Aussicht auf den Fotos nicht so gut rüber. Wir schießen einige Fotos und machen uns nach einer halben Stunde wieder auf den Weg ins Tal. Unten angekommen spüren wir zum ersten Mal die Strapazen der letzten Tage. Wir sind wirklich ausgelaugt und schwach, daher setzten wir uns hin, essen erstmal etwas und fotografieren die umherstreunenden Rehe. Jo, die haben’s uns wirklich angetan.

Um 16:00 Uhr machen wir uns auf den Weg, wir wollen auf keinen Fall den Shinkansen verpassen, und müde sind wir auch. Mit der Fähre zurück nach Miyajimaguchi, mit dem Regionalzug zurück zur Hiroshima Station und hier erstmal eine Stunde lang auf den reservierten Zug warten. Wir holen uns Onigiri und suchen geschlagene 20 Minuten nach einer Smoking Area, sowohl in als auch um den Bahnhof herum, aber wir finden keine. Wenn’s irgendwo eine Smoking Area gibt, dann doch am Bahnhof, oder hab ich das die letzten drei Mal in Japan falsch verstanden??? Da wir keine finden rauche ich einfach so, ich bin angepisst und das merkt man mir auch an. Irgendwann können wir endlich zu den Gleisen und wir warten, ausgefroren und erschöpft, auf den Shinkansen, der uns bis nach Shin-Osaka bringt. Wir sitzen diesmal getrennt von einander, was aber nicht weiter schlimm ist, denn wir schlafen gleich nach Abfahrt ein. In Shin-Osaka steigen wir um und fahren noch 1-2 Stationen bis zur Kyoto Station. Ab diesem Zeitpunkt kann ich mich gar nicht wirklich an den Ablauf erinnern, wir waren wohl wirklich kaputt! Im Hotel beschließen wir dann, doch schon gegen Mittag und nicht erst abends nach Tokyo zu fahren, da es morgen arschkalt werden, und obendrein noch regnen soll. Auch wenn unsere Füße nach so einem Tag zu nichts mehr zu gebrauchen sind, hat sich der Ausflug nach Miyajima auf jeden Fall gelohnt!

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